Bau- und Planungsstopp zur Prüfung auf Klimaverträglichkeit

Backesheide Zufahrtsstraße Sept2021

Zum Bild: Pro Tag werden in NRW durchschnittlich 8,1 Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche, meist auf Kosten landwirtschaftlicher Fläche, versiegel.
Quelle: NRW-Umweltbericht Mai 2021
Bild zeigt die Baumassnahme im Sept. 2021 zur Erschließung von Backesheide, Haan

Pressemeldung vom 14.09.2021

Als Bürgerinitiative „Rettet das Ittertal“ empfehlen wir unter den Eindrücken der diesjährigen Starkregenereignisse bereits genehmigte oder kürzlich begonnene Bauvorhaben zunächst unter Vorbehalt zu stellen, d.h. zu stoppen, bis eine erweiterte Prüfung hinsichtlich der Folgen des Klimawandels durchgeführt wurde, weil zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Verbesserung aufgrund aktuell gewonnener Erkenntnisse erreicht werden kann. Idealerweise soll zukünftig eine derart erweiterte Prüfung für alle Bauvorhaben obligatorisch sein.

Der Klimawandel ist nicht zu übersehen, alle Fakten zeigen die kontinuierliche Temperaturerhöhung von Jahr zu Jahr. Die Folgen sind und waren dieses Jahr besonders schmerzlich, auch in Solingen. Es steigen nicht nur die Temperaturen, auch ungewöhnliche Ereignisse wie Starkregen oder Orkane nehmen zu. Es ist mit einer Häufung dieser Ereignisse wie das diesjährige Jahrhunderthochwasser zu rechnen.
Richtigerweise wird daher in Verwaltung und Politik diskutiert, welche Lehren zu ziehen sind. Und in diesem Zusammenhang muss es dann auch erlaubt sein, vielmehr sollte es zwingend sein, bereits laufende und genehmigte Baumaßnahmen nochmals zu überprüfen und wenn notwendig, anzupassen. Denn so kann Schaden von Menschen abgewendet werden. Eine Entscheidung durchzuziehen, obwohl mittlerweile bessere Alternativen bekannt sind, ist nicht sinnvoll und alles andere als nachhaltig. Und selbst wenn nur Zweifel bestehen, ist eine erneute Prüfung der Sachlage und Absicherung der Entscheidung angebracht. Denn angesichts knapper Kassen ist es intelligent, wenn alle Maßnahmen so überarbeitet werden, dass diese sich ergänzen und damit Teil eines sinnvollen Masterplans werden. Die benötigte Zeit und der Aufwand sind es wert.

In Solingen sehen wir als Bürgerinitiative aktuell einige geplante Bauprojekte, die einer kritischen Neubewertung unterzogen werden sollten:

Neubaugebiet Börsenstraße, Kanalbauwerk Tunnelstraße, Bebauung Bussche-Kessel-Weg, Wohnprojekt Ecke Rembrandtstraße / Locher Straße, die Umnutzung der Flächen von Großmann und Evertz/Omega.

Ebenso sind die laufenden Bauvorhaben am oberen Rand des Ittertals auf den Flächen Fürkeltrath-1, Backesheide (Haan) und Westring (Wuppertal) zu überprüfen.

„Bei diesen Projekten am oberen Rand des Ittertals werden große Bereiche versiegelt, das Oberflächenwasser wird in die Kanalisation abgeleitet und führt bei Starkregen dann weiter unten im Ittertal zu Problemen und Überschwemmungen, wie es Hilden dieses Jahr erlebt hat.“ so Christian Robbin von BIRDI, „Gleichzeitig wird durch die Versiegelung im Bereich der Quellbächen der Itter diesen das Wasser weggenommen, so dass die Quellen und dortigen Kleinbiotope austrocknen.“

Gerade durch die besondere Topografie Solingens mit den vielen Tälern sehen wir die Stadt hier in einer Vorreiterrolle, um klimasensibel zu reagieren. Alle Flächenversiegelungen im Oberlauf von Bächen sind zu vermeiden oder rückgängig zu machen, im Sinne eines Schwammstadtkonzeptes, um die Folgen von Starkregen zu verhindern. Dabei ist es günstiger und nachhaltiger, vorhandene und funktionierende Biotope zu schützen und zu erhalten. Eine Renaturierung wird mehr kosten, insbesondere weil eine lange Zeit vergeht, bis sich wieder ein stabiles System ausbildet.

„Es ist nicht zu verstehen, dass gewachsene Naturräume wie an der Tunnelstraße mal eben so zerstört werden, obwohl die Wiederherstellung des Biotops eher Jahrzehnte benötigen wird.“ so Margret Meinhardt von BIRDI, „Wir haben alle die verheerenden Folgen des Starkregens in den Tallagen gesehen. Da muss es die Pflicht von verantwortlicher Politik und Verwaltung sein, neue Erkenntnisse auch bei bereits getroffenen Entscheidungen zu berücksichtigen. Es ist keine Schwäche, alte Erkenntnisse durch neue zu ersetzten. Im Gegenteil, es zeugt von kritischem Denken, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Fortschritte im Sinne des Allgemeinwohls angewendet werden.“

Es wäre konsequent, wenn die Stadt nicht nur hinsichtlich Starkregen prüft, sondern die Gelegenheit nutzt, Nachhaltigkeit als Verpflichtung in die Bebauungspläne zu schreiben.

Dadurch können weitere Aspekte durch die Temperaturerhöhung oder der Ressourcenverbrauch im Betrieb, gemessen in CO2-Äquivalente, berücksichtigt werden. Städtische Nachhaltigkeitsziele können leichter erreicht werden, wenn in Bebauungsplänen, Verpflichtungen zur Solarenergienutzung, Versickerung von Regenwasser auf der Fläche, mehrgeschossige Bebauung oder strenge Vorgaben bzgl. Energieeffizienz vorgegeben werden. Kritiker werden einwenden, dass derartige Auflagen Geld kosten und Investoren abschrecken. Das mag stimmen, allerdings ist es vor allem als Einladung für Investoren zu verstehen, die den Wert von Naturraum respektieren und mit mutigen fortschrittlichen Konzepten für mehr Lebensqualität sorgen. Jetzt ist die Zeit, mutige und neue Wege für mehr Nachhaltigkeit zu gehen.