Bürgerbefragung

Am 22.01.2015 hat der Hauptausschuss der Stadt Solingen beschlossen, die Bürger mit einer online Befragung zum Thema Ausweisung neuer Gewerbeflächen zu beteiligen.

www.solingen-redet-mit.de

Diese online Befragung geht auf einen Bürgerantrag der Piraten zu einer online Abstimmung für oder gegen die Ausweisung von Schroftberg und Fürkeltrath II als Gewerbegebiete zurück.

Die Verwaltung hat daraus eine Bürgerbefragung zu sehr allgemeinen und darüber hinaus rhetorisch formulierten Thesen zur Entwicklung von Solingen als Industriestadt gemacht. Die Verwaltung stellt ihr eigenes Handeln und die damit verfolgten Ziele in den Begründungen der Thesen so geschickt dar, dass selbst die ausführende Fachagentur bestätigt, dass das Ergebnis der Befragung kein repräsentatives Bild der Solinger Bevölkerung wiedergeben wird.

Beauftragt mit der Ausarbeitung war federführend die Wirtschaftsförderung, also genau die Akteure, die seit Jahren an der Umwandlung von wertvollen Naturräumen in Gewerbeflächen arbeiten. Zu den Ansichten der Stadt waren konträre Meinungen in den Thesen nicht erwünscht und sind also auch nicht vorhanden. Einzig eine geringfügige Ergänzung um zwei Thesen konnte der ASUKM Anfang Januar noch durchsetzen.

Als Bürgerinitiative haben wir eine derartige Bevölkerungsbeteiligung immer abgelehnt, weil wir das gewählte Verfahren für die Fragestellung für viel zu komplex halten. Allein die notwendige neutrale und objektive Informationsvermittlung im Vorfeld ist kaum zu bewältigen.
Trotzdem rufen wir zur Teilnahme auf. Schließlich ist es eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung.

Wir haben daher, ausgelöst durch die Neujahrgrüße Grußwort-OB-Jan2015.pdf unseres OB auf der Homepage der Stadt Solingen, einen offenen Brief an die Verwaltungsspitze, die Ratsmitglieder, Bezirksvertreter und die Presse geschrieben. 20150119 BIRDI Offener Brief an OB_Feith.pdf

Warum führt die Stadt gerade jetzt diese online Befragung durch?

Aktuell wird landesweit an den Überarbeitungen von Regionalplanungen auf Bezirksebene im Rahmen des Landesentwicklungsplan gearbeitet. Darin werden die planerischen Weichen für die kommenden Jahrzehnte gestellt. Das bedeutet, jetzt gilt es für die Städte, die Planung von neuen Gewerbegebieten und anderen Planungen beim Land/Regierungsbezirk festzuschreiben, d.h. Bedarfe anzumelden.
Auf Regierungsbezirksebene müssen die Städte ihre Eingaben machen und begründen.
Solingen hat dabei jetzt schon (d.h. Fortschreibung des Gebietsentwicklungsplans von 1999) mehr Gewerbeflächen angemeldet, als Bedarf erkennbar ist. Die Bezirksregierung hat dieses Vorgehen bereits auch gerügt. Allerdings stört sich in Solingen keiner daran und es werden (weiter wie bisher) neue zusätzliche Gewerbeflächen auf Vorrat ausgewiesen.

Dies ist übrigens ein Grund, warum wir gegen die Ausweisung neuer Gewerbegebiete und Umwandlung von Naturflächen sind. Ein Bedarf ist schlichtweg nicht erkennbar.

Der Entwurf des neuen Regionalplans liegt derzeit noch bis Ende März offen aus, damit die Bevölkerung und Interessensgruppen Eingaben machen können. Und damit die Stadt ihr aus unserer Sicht falsches Handeln u.a. gegenüber der Bezirksregierung und gegenüber anderen Einwänden begründen zu können, braucht die Stadt jetzt die Bürgerbefragung.
Die Stadt will durch rhetorische Fragen Zustimmung zur ihrer Wirtschaftspolitik der Gewerbeflächenausweisung und Vernichtung von wertvollen Natur- und Erholungsräumen, wertvollen Landwirtschaftsflächen und Arbeitsplätzen in der Nahrungsmittelproduktion bekommen.
Frei nach dem Motto: lieber ein Logistikbetrieb auf der grünen Wiese als Arbeitsplätze im Ökolandbau und regionale Lebensmittelproduktion.
Die Stadt handelt gegen ihr eigenes Nachhaltigkeitskonzept!

Thesen der Stadtverwaltung und unsere Meinungen

Die Stadtverwaltung hat 10 Thesen formuliert. Wir kommentieren hier in Kurzform:

  • These 1: Die Stadt Solingen will auch künftig Standort für wirtschaftliche Entwicklung sein.
    Wir stimmen nicht zu. Das Thema ist unstrittig, das will jeder Bürger. Aber Ziel kann nicht der Naturraum sein.
  • These 2: Solinger Unternehmen sollen sich erweitern oder an eine andere Stelle in Solingen verlagern können.
    Wir stimmen nicht zu. Dies ist sowieso selbstverständlich. Aber Umzug und Erweiterung kann nachhaltig auf den zahlreichen Gewerbebrachen erfolgen und braucht nicht wertvollen Naturraum.
  • These 3: Die Stadt Solingen wird, wo Immer dieses mög­lich ist, die gewerbliche Nachnutzung von leerstehenden Gewerbeflächen (Brachen) bevorzugen, um den Freiraum zu schützen.
    Wir stimmen nicht zu. Denn das widerspricht leider der Realität. Ständig werden weitere Brachflächen Solinger Firmen mit Discountern etc verbaut. Auch in Ihrer Nähe.
  • These 4: Für die zukünftige Gewerbeflächenentwicklung braucht Solingen eine Vielfalt an Gewerbeflächen.
    Wir stimmen nicht zu. Unklare Aussage. Wir wünschen uns eine Wirtschaftsförderung, die die heimische Wirtschaft besser fördert und nicht nur in Flächen denkt. Gründer brauchen keine großen Flächen.
  • These 5: Die Stadt Solingen sieht den Bedarf, rechtzeitig auch neue Gewerbegebiete auszuweisen.
    Wir stimmen nicht zu. Es gibt über 50 Hektar brachliegen­der Gewerbeflächen außerhalb des Ittertals. Die Stadtver­waltung soll sich endlich um Gewerbebrachen kümmern und alle vorhandenen Gewerbeflächen durch Bebauungs­pläne vor Discountern sichern, bevor sie Brachen werden.
  • These 6: Bei der Planung neuer Gewerbegebiete berück­sichtigt die Stadt Solingen die umweltrelevanten Belange gebührend.
    Schön wär’s. Wir stimmen nicht zu. Biotopverbund, Land­schaftsschutz, Landwirtschaft und Naherholung werden ignoriert, 4 Gewerbegebiete im Ittertal geplant. Eigene Gut­achten wie Raumwiderstandsanalyse und Klimaanalyse werden missachtet, das Gesamtgutachten nicht vorgelegt.
  • These 7: Es ist aus Sicht der Stadt Solingen nicht zu ver­meiden, dass für neue Gewerbegebiete auch ökologisch sensible oder landwirtschaftlich genutzte Flächen in Anspruch genommen werden.
    Wir stimmen nicht zu. Das widerspricht dem Nachhaltig­keitskonzept der Stadt Solingen und geht auf Kosten der Lebens- und Wohnqualität aller nachfolgenden Generatio­nen. Auch Naturschutzgebiete sind ökologisch sensibel.
  • These 8: Die Stadt Solingen berücksichtigt die Funktionen des Freiraumes für die Naherholung und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen bei der gewerblichen Entwicklung.
    Schön wär’s. Wir stimmen nicht zu. Am Buschfeld wird z.B. Landschaftsschutzgebiet überplant und das auch noch in direkter Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet Mittlere Itter.
  • These 9: Neben dem produzierenden Gewerbe sind in der Stadt Solingen der Dienstleistungssektor und der Touris­mus stärker zu entwickeln.
    Wir stimmen entschieden zu. Das fördert den bisher vernachlässigten Strukturwandel, die Innenraumentwick­lung und die Lebensqualität unserer Stadt. Dort liegen die Arbeitsplätze der Zukunft. …unsere Forderung seit langem.
  • These 10: Die Stadt Solingen hält die Infrastrukturfolge­kosten bei der Entwicklung von gewerblichen Bauflächen möglichst gering.
    Wir stimmen nicht zu. Nach Ausweisung von Gewerbe­flächen im Außenbereich werden die hohen Infrastruktur­folgekosten letztlich von allen Bürgern dauerhaft bezahlt.

Hier eine kleine Chronologie zur online Befragung:

10.12.2013 HuPA-Beschluss
Bürgerantrag gemäß §24 Gemeindeordnung von Jan Ulrich Hasecke vom 01.10.2013 (immerhin 5 Unterschriften!) folgen. Forderung war: „Parallel zum politischen Entscheidungsprozess soll eine stadtweite Online-Bürgerbefragung zur geplanten Ausweisung neuer Gewerbegebiete stattfinden. Die Befragung bezieht sich auf die Gewerbegebiete Fürkeltrath II und Schrodtberg.“
In der HuPA-Beschlussvorlage 3253 steht:
„2.2 Anlass und Lösung [..] Hierzu sollen alle relevanten städtischen Unterlagen und Gutachten sowie Stellungnahmen von Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, Gewerkschaften usw. auf einer Informationsplattform online veröffentlicht werden. Die Pro/ Contra/ Enthaltung-Abstimmung aller Bürgerinnen und Bürger soll in die Beratungen der politischen Gremien einfließen.“

01.12.2014 ASUKM-Beschluss
Die Verwaltung stellt den zu diesem Zeitpunkt ausgearbeiteten Stand der online Befragung vor. Wg offensichtlicher Unausgewogenheit beschließt der ASUKM mit knapper Mehrheit zusätzlich zu den 8 Verwaltungsthesen weitere 6 Thesen aufzunehmen.

09.01.2015
Die Verwaltung hat den ASUKM-Beschluss nicht umgesetzt und lädt für den 22.01.2015 zu eienr außerplanmäßigen HuPA-Sitzung ein.
TOP ist Vorstellung von 10 Thesen und Verabschiedung des Starts der Befragung am 22.2.2015.

19.01.2015
Die Bürgerinitiative „Rettet das Ittertal“ veröffentlicht einen offenen Brief 20150119 BIRDI Offener Brief an OB_Feith.pdf stellvertretend an OB Feith.

22.01.2015 HuPA
Der Hauptauschuss beschließt, die online Befragung wie von der Verwaltung vorgeschlagen, durchzuführen: Laufzeit 26. Januar bis 18. Februar unter www.solingen-redet-mit.de