Umweltminister Krischer: Wir brauchen mehr intakte Lebensräume für Natur- und Artenschutz

Im Rahmen der Sommerreise von NRW-Umweltminister Krischer veröffentlichte das Umweltministerium am 09.09.2022 eine Pressemeldung, die genau in unserem Sinn ist: Grünflächen schützen und dadurch Biotope erhalten.

Das Umweltministerium hat ein klares Ziel formuliert, den in der Biodiversitätsstrategie vorgesehenen landesweiten Biotopverbund von derzeit 11,7 % auf 15 % der Landesfläche zu erhöhen. Die Landesregierung will die Flächen für den Schutz der heimischen Natur weiter ausweiten und die Biotop-Vernetzung weiter forcieren.

Und das betrifft nicht nur große unzerschnittene Naturräume, von denen es in NRW nur noch 6 gibt, sondern auch viele kleine Biotope, deren Vernetzung von großer Bedeutung für den Artenschutz ist. „Artenschutz braucht nicht nur intakte Lebensräume. Artenschutz braucht auch großflächige und unzerschnittene Lebensräume“, sagte Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer im Rahmen der Sommertour.

Für das Ittertal bedeutet das, die grüne Achse von der Quelle der Itter bis zur Mündung in den Rhein muß „grün“ bleiben!
Dieser Biotop-Verbund von den Wupperbergen bis zum Rhein und damit die Möglichkeit zum genetischen Austausch der hier noch lebenden Arten muss erhalten bleiben. So kann das Artensterben zumindest vermindert werden.

Und zusätzlich ist der Biotop-Verbund Ittertal auch Teil des gesamten Grüngürtels um Solingen. Dieser ist nicht nur für Flora und Fauna wichtig, sondern auch unmittelbar für den Menschen in Bezug auf Klimaveränderungen, Naherholung und Attraktivität der Stadt.

Bau- und Planungsstopp zur Prüfung auf Klimaverträglichkeit

Zum Bild: Pro Tag werden in NRW durchschnittlich 8,1 Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche, meist auf Kosten landwirtschaftlicher Fläche, versiegel.
Quelle: NRW-Umweltbericht Mai 2021
Bild zeigt die Baumassnahme im Sept. 2021 zur Erschließung von Backesheide, Haan

Pressemeldung vom 14.09.2021

Als Bürgerinitiative „Rettet das Ittertal“ empfehlen wir unter den Eindrücken der diesjährigen Starkregenereignisse bereits genehmigte oder kürzlich begonnene Bauvorhaben zunächst unter Vorbehalt zu stellen, d.h. zu stoppen, bis eine erweiterte Prüfung hinsichtlich der Folgen des Klimawandels durchgeführt wurde, weil zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Verbesserung aufgrund aktuell gewonnener Erkenntnisse erreicht werden kann. Idealerweise soll zukünftig eine derart erweiterte Prüfung für alle Bauvorhaben obligatorisch sein.

Der Klimawandel ist nicht zu übersehen, alle Fakten zeigen die kontinuierliche Temperaturerhöhung von Jahr zu Jahr. Die Folgen sind und waren dieses Jahr besonders schmerzlich, auch in Solingen. Es steigen nicht nur die Temperaturen, auch ungewöhnliche Ereignisse wie Starkregen oder Orkane nehmen zu. Es ist mit einer Häufung dieser Ereignisse wie das diesjährige Jahrhunderthochwasser zu rechnen.
Richtigerweise wird daher in Verwaltung und Politik diskutiert, welche Lehren zu ziehen sind. Und in diesem Zusammenhang muss es dann auch erlaubt sein, vielmehr sollte es zwingend sein, bereits laufende und genehmigte Baumaßnahmen nochmals zu überprüfen und wenn notwendig, anzupassen. Denn so kann Schaden von Menschen abgewendet werden. Eine Entscheidung durchzuziehen, obwohl mittlerweile bessere Alternativen bekannt sind, ist nicht sinnvoll und alles andere als nachhaltig. Und selbst wenn nur Zweifel bestehen, ist eine erneute Prüfung der Sachlage und Absicherung der Entscheidung angebracht. Denn angesichts knapper Kassen ist es intelligent, wenn alle Maßnahmen so überarbeitet werden, dass diese sich ergänzen und damit Teil eines sinnvollen Masterplans werden. Die benötigte Zeit und der Aufwand sind es wert.

In Solingen sehen wir als Bürgerinitiative aktuell einige geplante Bauprojekte, die einer kritischen Neubewertung unterzogen werden sollten:

Neubaugebiet Börsenstraße, Kanalbauwerk Tunnelstraße, Bebauung Bussche-Kessel-Weg, Wohnprojekt Ecke Rembrandtstraße / Locher Straße, die Umnutzung der Flächen von Großmann und Evertz/Omega.

Ebenso sind die laufenden Bauvorhaben am oberen Rand des Ittertals auf den Flächen Fürkeltrath-1, Backesheide (Haan) und Westring (Wuppertal) zu überprüfen.

„Bei diesen Projekten am oberen Rand des Ittertals werden große Bereiche versiegelt, das Oberflächenwasser wird in die Kanalisation abgeleitet und führt bei Starkregen dann weiter unten im Ittertal zu Problemen und Überschwemmungen, wie es Hilden dieses Jahr erlebt hat.“ so Christian Robbin von BIRDI, „Gleichzeitig wird durch die Versiegelung im Bereich der Quellbächen der Itter diesen das Wasser weggenommen, so dass die Quellen und dortigen Kleinbiotope austrocknen.“

Gerade durch die besondere Topografie Solingens mit den vielen Tälern sehen wir die Stadt hier in einer Vorreiterrolle, um klimasensibel zu reagieren. Alle Flächenversiegelungen im Oberlauf von Bächen sind zu vermeiden oder rückgängig zu machen, im Sinne eines Schwammstadtkonzeptes, um die Folgen von Starkregen zu verhindern. Dabei ist es günstiger und nachhaltiger, vorhandene und funktionierende Biotope zu schützen und zu erhalten. Eine Renaturierung wird mehr kosten, insbesondere weil eine lange Zeit vergeht, bis sich wieder ein stabiles System ausbildet.

„Es ist nicht zu verstehen, dass gewachsene Naturräume wie an der Tunnelstraße mal eben so zerstört werden, obwohl die Wiederherstellung des Biotops eher Jahrzehnte benötigen wird.“ so Margret Meinhardt von BIRDI, „Wir haben alle die verheerenden Folgen des Starkregens in den Tallagen gesehen. Da muss es die Pflicht von verantwortlicher Politik und Verwaltung sein, neue Erkenntnisse auch bei bereits getroffenen Entscheidungen zu berücksichtigen. Es ist keine Schwäche, alte Erkenntnisse durch neue zu ersetzten. Im Gegenteil, es zeugt von kritischem Denken, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Fortschritte im Sinne des Allgemeinwohls angewendet werden.“

Es wäre konsequent, wenn die Stadt nicht nur hinsichtlich Starkregen prüft, sondern die Gelegenheit nutzt, Nachhaltigkeit als Verpflichtung in die Bebauungspläne zu schreiben.

Dadurch können weitere Aspekte durch die Temperaturerhöhung oder der Ressourcenverbrauch im Betrieb, gemessen in CO2-Äquivalente, berücksichtigt werden. Städtische Nachhaltigkeitsziele können leichter erreicht werden, wenn in Bebauungsplänen, Verpflichtungen zur Solarenergienutzung, Versickerung von Regenwasser auf der Fläche, mehrgeschossige Bebauung oder strenge Vorgaben bzgl. Energieeffizienz vorgegeben werden. Kritiker werden einwenden, dass derartige Auflagen Geld kosten und Investoren abschrecken. Das mag stimmen, allerdings ist es vor allem als Einladung für Investoren zu verstehen, die den Wert von Naturraum respektieren und mit mutigen fortschrittlichen Konzepten für mehr Lebensqualität sorgen. Jetzt ist die Zeit, mutige und neue Wege für mehr Nachhaltigkeit zu gehen.

Mahnwache Tunnelstraße

In Solingen-Ohligs soll in einer Tallage ein Stauraumkanal für Oberflächenwasser zur Entlastung der Kanalisation gebaut werden. Um Kosten und Zeit zu sparen, ist als kostengünstigeste Maßnahme die Rodung von zahlreichen alten und großen Bäume geplant. Als Konsequenz wird der Verlust eines gut eingewachsenes Biotops im Siedlungsbreich in Kauf genommen.

Die Bürgerinitiative „Rettet das Biotop Tunnelstraße“ hatte sich bereits lange vor den diesjährigen Starkregen-Ereignissen gegen den Kanalbau gewehrt und Alternativlösungen eingefordert, die nachhaltiger und umweltverträglicher sind. Siehe dazu auch hier.
Unter dem Eindruck der verherenden Folgen der Flutkatastrophe an Wupper und Ahr haben die Anwohner am 26. August mit einer Mahnwache protestiert und eine Neubewertung der Situation unter den Aspekten Starkregen, Flächenversiegelung, Hochwasserschutz und (Mikro-)Klimaschutz gefordert.
Neben der BI „Rettet die Tunnelstraße“ haben auch andere Initiativen vom „Klimabündnis Solingen“ mit Plakaten protestiert.

Starkregen

Im Dezember 2016 haben in NRW das damals noch existierende Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, … und das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, … ein Konzeptpapier „Starkregen NRW“ veröffentlicht.

Zusammenfassung
Der Klimawandel ist bereits Realität: Das globale Klima hat sich schon heute deutlich geändert und wird dies auch in Zukunft weiterhin und zunehmend tun.
Die Reduktion von Treibhausgasemissionen muss daher konsequent vorangetrieben werden. Doch selbst durch ehrgeizige Klimapolitik – wie das festgelegte 2-Grad-Ziel im Klimaschutz – ist der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten, sondern bestenfalls zu begrenzen. Sich auf Starkregenereignisse, aber auch auf andere Folgen des Klimawandels einzustellen und Präventionsmaßnahmen zur Schadenvermeidung vorzunehmen muss daher schon heute als essentielle Zukunftsaufgabe von Land und Kommunen verstanden werden.

Anlass für das 53-seitige Konzeptpapier war ein unerwartetes Starkregenereignis im Juli 2014 in Münster mit 220 l/qm in 1,5 h und erheblichen Schäden und auch Personenschäden. Es wird auch darauf verwiesen, dass in den letzten 30 Jahren die mittleren Jahrestemperaturen weltweit signifikant zugenommen haben und dass laut Klimaprojektionen für NRW hier Extremwetterereignisse häufiger und intensiver auftreten werden.

Entwicklung der Starkregenereignisse in NRW. Erfasst ist pro Jahr die mittlere Anzahl von Starkregenereignissen mit einer Dauer von 60 min. (Bildquelle: Klimafolgenmonitoring LANUV, www.kfm.nrw.de)

Es werden Maßnahmen, Angebote und Programme der damaligen SPD/GRÜNE Landesregierung NRW vorgestellt, die die Kommunen und die Bevölkerung auf Starkregenereignisse vorbereiten oder besser, Zerstörungen wie im Juli 2021 vermeiden sollten.
Es geht bei den Maßnahmen um Wasserwirtschaft, Kanalbau, Wasserspeicherkapazität, Vermeidung von Bebauung im Außenbereich, Wald und Forstwirtschaft, Verkehrsinfrastruktur, …, bis hin zur resilienten Stadtentwicklung und Katastrophenschutz.

In dem Konzeptpapier von 2016 ist „alles“ schon mal angesprochen worden, was heute nach den aktuellen Starkregen-Ereignissen im Juli 2021 vermisst wird. Was davon tatsächlich umgesetzt wurde, wäre im einzelnen zu prüfen. Nichts desto trotz könnte man das Papier fast wieder 1:1 erneut veröffentlichen und die vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen.

Seit Sommer 2017 hat NRW eine Landesregierung aus CDU/FDP.
Das Klimaschutzministerium wurde abgeschafft.
Das Thema Klimaschutz findet man im Ministerium Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (FDP), quasi nur noch als Randnotiz im NRW-Klimaschutzportal.

Screenshot NRW-Klimaschutzportal 22.07.2021

Ah, ja. klimafreundliche Antriebstechnologien und ein bischen Nachhaltigkeit…
Wenn NRW eine Blaupause für die BRD werden sollte, wird es bitter.
Denn alle wissen, der Klimawandel kommt nicht irgendwie plötzlich, er ist schon lange da und wird schlimmer.